Bereits letztes Jahr gelang der Aufstieg aus der Regionalliga in die 3. Bundesliga. Wie kann das sein?
Das Peter-Prinzip mal anders
Solch ein gewaltiger Erfolg ist selbstredend nicht monokausal. Erfolg im Teamsport hat immer viele Eltern. Logo. Aber aus einer Perspektive des Leadership: Preußen Münster hat erstens eine der besten Geschäftsführungen im Profisport, zweitens extrem gut funktionierende Gremien und drittens eine gemeinsame, alles vereinende Klammer: Servant Leadership.
Ich kann mich sehr gut an einen Tag vor vier Jahren erinnern. Damals traf ich Peter Niemeyer, neuer Sportdirektor bei den Preußen. Und was waren seine ersten Worte?
„Puh. Ganz ehrlich? Ich habe wahnsinnig Respekt vor der Aufgabe. Ganz viele Dinge habe ich noch nie gemacht und muss sie erst noch lernen. Verträge schließen ist dabei nur einer von vielen Punkten.“
Damals war ich komplett baff, aber zuversichtlich, dass er eine sehr, sehr gute Wahl für den Verein sein würde. Die beste, wie wir heute wissen.
Peter Niemeyer macht alle in seinem Umfeld besser. Er sieht viel. Er denkt schnell. Vor allem versteht er aber, was er nicht kann, geht souverän damit um und lässt andere Menschen an seiner Seite gerne glänzen. Spears [2] hat mal die zehn Komponenten von Servant Leadership aufgeschrieben: Zuhören, Einfühlungsvermögen, Heilung, Bewusstheit, Überzeugungskraft, Konzeptualisierung, Vorausschau, Verantwortungsbewusstsein, Freude am Wachstum anderer und Aufbau einer Gemeinschaft. Das trifft fraglos alles auf Peter zu.
Einer der Haken von „Positive Leadership“
Parallel kann man an diesem Beispiel aber erstens ein großes Problem von „Positive Leadership“ nachvollziehen. Peter hat nämlich wie beschrieben eine Million Stärken. Aber, so frank und frei darf ich mal sein, ein begnadeter Lautsprecher, der mit seinen Elogen die Massen in Ekstase versetzt, wird er in diesem Leben nicht mehr. Er konzentriert sich lieber auf seine Stärken und das ist richtig und wichtig. Das Arbeiten an den eigenen Stärken ist toll und ein wichtiger Grundsatz. Aber ein Bewusstsein für die eigenen Grenzen ist nicht minder wichtig. Führungskräfte sollten als allererstes mal nicht im Weg herumstehen. „Positive“ hin oder her. Dafür braucht es eine Portion Demut. Dafür braucht es eine realistische Selbstwahrnehmung. Dafür braucht es eine dienende Grundhaltung.
Dieses dienende Grundverständnis ist zweitens auch den Gremien von Preußen Münster zu eigen. Viele Sportvereine leiden unter Selbstdarstellern in der Führung. Gerade der Profifußball ist eine phantastische Bühne, um die eigenen narzisstischen Impulse auszuleben. Nun behindert Narzissmus einerseits die Entstehung von Team Spirit [sehr coole Evidenz dazu aus der NBA: 3], andererseits ist Narzissmus natürlich nur bedingt kompatibel mit Demut, Selbstwahrnehmung und dem Prinzip des Dienens. Ich kenne SEHR viele Vereine, in denen die Gremien in sportlichen Fragen überproportional mitmischen möchten und extrem unangenehm breitbeinig auftreten – häufig aus einem narzisstischen Impuls heraus. Das ist bei den Preußen anders. Aufsichtsrat und Präsidium konzentrieren sich auf die strategischen Fragen und treten demütig-besonnen auf. Sie kümmern sich um das, was ihre Kernaufgabe ist. Sie lassen die Leute, die sich wirklich auskennen, ihre Arbeit machen. Zugleich aber sind sie mutig. Ich kenne jedenfalls nicht viele Traditionsvereine, die einem Burschen Anfang 30 ohne einschlägige Berufserfahrung den Generalschlüssel in die Hand drücken würden. Die Preußen schon – nach der Beförderung von Ole Kittner sind sie gar Wiederholungstäter.
Fluch und Segen von Servant Leadership
Schaut man in die Literatur, reibt man sich verwundert die Augen. Dass positive Leadership ein total wackeliges Konstrukt ist: logo. Dafür gibts Evidenz [4] und wir haben das im Buzz Stop zum Thema Leadership Mythen auf LinkedIn aufgedröselt [5].
Doch auch Servant Leadership hat empirisch keinen Effekt über transformationale Führung hinaus [6]. Komisch oder? Warum dann das Konzept derartig abfeiern? Fehlende Evidenz bedeutet im Umkehrschluss halt nicht, dass ein dienendes Verständnis von Führung Quatsch ist. Im Gegenteil.
Der Kern von Servant Leadership sind Werte. Kultur entwickelt sich dadurch, wie Werte sichtbar mit Inhalt gefüllt werden. Ein bisschen dadurch, was kommuniziert wird, mit Sicherheit aber auch dadurch, was getan wird. Deshalb spricht man in der Forschung häufig von „Signalen“. Und wenn die Werte und die Kultur eines Vereins gut zu den Persönlichkeiten in Führung passen, dann kommt was Gutes dabei heraus. So wie bei Peter und den Preußen.
Parallel ist es total gefährlich, wenn man Konzepte wie Servant Leadership für die Breite empfiehlt. Der FC Bayern München beispielsweise mag managementseitig aktuell neben der Spur sein. Aber die gewaltigen Erfolge der Vergangenheit kamen mit Sicherheit nicht durch Servant Leadership zustande. Servant Leadership ist ein Teil von ethischer Führung. Für langfristigen Erfolg ist es absolut zentral, sich mit seinen Werten und seiner Kultur auseinanderzusetzen und danach zu handeln. Wenn das zusammenpasst, klappts auch mit dem Aufstieg.
Preußen Münster ist durch Servant Leadership wieder zurück. In der 2. Bundesliga. In der Stadt. Und in den Herzen der Menschen. Danke.
Peter Niemeyer wechselt zu Werder Bremen. Sicher voller Vorfreude, aber ebenso sicher mit mehr als einem weinenden Auge bei allen Beteiligten. Er geht als Freund. Danke für alles, lieber Peter.
P.S.: Von dieser herrlichen Brille auf dem Selfie hatte ich zwei Exemplare. Das eine hab ich Sascha Hildmann letztes Jahr zum Aufstieg geschenkt. Das andere trage ich heute. Danke für ein unglaubliches Jahr.
P.S.S.: Vielen Dank für die Karten, lieber Markus Schwabl. Als Dank dafür habe ich Dich die kompletten 90 Minuten bei jedem Ballkontakt ausgebuht.
[1] Leider kann ich den heutigen Tag nur bedingt genießen, denn das letzte Hopfengetränk muss schlecht gewesen sein. Herzliche Grüße an dieser Stelle insbesondere an die Sportskameraden Janis Hohenhövel und Louis Cordes.
[2] Spears, L. C. (2010). Character and servant leadership: Ten characteristics of effective, caring leaders. The journal of virtues & leadership, 1(1), 25-30.
[3] Grijalva, E., Maynes, T. D., Badura, K. L., & Whiting, S. W. (2020). Examining the “I” in team: A longitudinal investigation of the influence of team narcissism composition on team outcomes in the NBA. Academy of Management Journal, 63(1), 7-33.
[4] Fischer, T., Dietz, J., & Antonakis, J. (2024). A fatal flaw: Positive leadership style research creates causal illusions. The Leadership Quarterly, 101771.
[5] https://www.linkedin.com/events/buzzstopstation4-leadershipmyth7183374680416829440/comments/
[6] Hoch, J. E., Bommer, W. H., Dulebohn, J. H., & Wu, D. (2018). Do ethical, authentic, and servant leadership explain variance above and beyond transformational leadership? A meta-analysis. Journal of management, 44(2), 501-529.
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