Nachfolgemanagement aus dem Giftschrank – Die Fallstudie des FC Bayern München

30.05.2024 | Allgemein | 0 Kommentare

Wie kommt das aktuelle Desaster im Top Management des FC Bayern München zustande und warum sollte sich der Rest der Republik – zumal außerhalb von Fußballdeutschland – dafür interessieren? Das Zauberwort heißt „Nachfolgemanagement“. Aus der Case Study der Bayern kann man wunderbar lernen, was man tunlichst vermeiden sollte. Und das ist ja häufig auch viel wert.

Ist das Thema von Belang? Na klar. Zwischen 2022 und 2026 stehen alleine in Deutschland fluffige 190.000 Familienunternehmen zur Übergabe an, rund 1.200 davon hatten einen Umsatz von über 50 Millionen Euro [1]. Das sind gewaltige Zahlen. In Vergangenheit und Gegenwart haben wir in unterschiedlichsten Konstellationen Firmen in dieser kritischen Phase begleitet. Es ist halt schon ein sehr einschneidendes Ereignis, wenn die bislang zentralen Personen möglichst fließend in die zweite Reihe treten und den Nachfolger:innen einen möglichst fliegenden Start ermöglichen.

Dabei kann man Nachfolgeplanung beliebig komplex gestalten. Aber auf eine einzige, ganz zentrale Stellschraube sollte man tunlichst achten: die alten Granden müssen dahingehend gecoacht werden, dass sie loslassen. Die schlechteste aller möglichen Lösungen sind die greisen ex-Bosse, die sich nicht aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten imstande sind, unangemessen von der Seitenlinie hineinrufen und womöglich noch die verzweifelten Bemühungen der Nachfolge unterminieren.

Der FC Bayern als mahnendes Beispiel

Und genau dafür liefern die Bayern ein Paradebeispiel. Wir müssen dabei nicht über die Verdienste und Erfolge insbesondere von Uli Hoeneß sprechen. Ein wirkmächtigerer und erfolgreicherer Manager im Weltfußball fällt mir kaum ein. Man kann, darf und soll sich an dem Burschen gerne kritisch abarbeiten. Doch der Respekt vor seiner Lebensleistung sollte dabei niemals zu kurz kommen. Das kann man auf vielen Ebenen und aus vielen Perspektiven analysieren. Habe ich auch bereits gemacht.

Doch seit dem Schritt in die zweite Reihe vernimmt man häufige, grundsätzliche und fatal zersetzende Kritik an den eigenen Topleuten. Dass Hoeneß die vermeintliche Verpflichtung von Ralf Rangnick durch die Bemerkung torpedierte, dass die Bayern vorher ja bereits mit Leverkusens Xabi Alonso und Bundestrainer Julian Nagelsmann gesprochen hätten, wird der Absage Rangnicks zumindest nicht abträglich gewesen sein und ist nur ein Beispiel unter vielen.

Was die Lage in den letzten Wochen verschärft, ist Karl-Heinz Rummenigge. Von den beiden super Alphas der Bayern war es in der Öffentlichkeit Karl-Heinz Rummenigge, der mit Mitte und Maß agierte. Doch das ist vorbei. Eine kleine Auswahl aus den letzten Tagen:

  • Eine öffentliche Mahnung zu mehr Diskretion: Dadurch erfolgt natürlich eine klare Schuldzuweisung an die aktuell Verantwortlichen – zumal gewürzt mit Verweisen auf die eigene Großartigkeit: „Als wir Pep verpflichtet haben, haben wir insgesamt sechs Monate an der Operation gearbeitet, und niemand hat davon erfahren. Man muss strategisch vorgehen, aber ohne dass der nächste Zug jeden Tag in allen Zeitungen steht.“
  • Dann der Verweis auf die Connection zu und das Verlassen auf Guardiola in Sachen Kompany. „Pep Guardiola hat uns ebenfalls mit Kompany geholfen, er hat sich sehr lobend über Vincent als einen talentierten Trainer geäußert. Pep kennt Vincent sehr gut und seine Meinung wird geschätzt“ Damit entwertet er den Auswahl- und Entscheidungsprozess von Eberl und Freund.
  • Schließlich die Aussage, dass sich »unser Vorstand für Vincent Kompany als neuen Cheftrainer entschieden« habe. Damit distanziert er sich von den eigenen Leuten und erhöht vollkommen ohne Not den ohnehin bereits hohen Druck.

Und so ist es wenig verwunderlich, dass die Selbstzersetzung mit Max Eberl ihren Fortgang findet. Der antwortete direkt bei der Vorstellung des neuen Trainers: „Für den hohen Trainer-Verschließ der letzten Jahre können ich und Christoph relativ wenig, wenn ich das so sagen darf.“ Das ist natürlich korrekt, aber zugleich ein indirektes Zuweisen von Schuld in Richtung der Bayern-Granden. Solche Vorgänge gegenseitiger Schuld- und Verantwortungszuweisung kommen empirisch häufig vor in Organisationen mit wenig Vertrauen – zumal bei den Bayern die folgende, sehr flehentlich-hilflos klingende Bitte ums Offensichtliche folgt: «Das ist für uns eine Chance, ein paar Dinge zurückzurudern und wieder eine Einheit zu werden. Das ist das, was ich mir in Summe vorstelle, dass wir als Club hinter unserem Trainer stehen, unserem Trainer die Unterstützung geben, die er braucht.»

Korrelation und Kausalität von Nachfolge

Besonders spannend in einer solchen Lage sind die sehr gerne komplett unterschiedlich interpretierten Korrelationen. Die Korrelation selbst ist dabei eindeutig: Hoeneß und Rummenigge sind nicht mehr in erster Reihe. Bayern München geht gefühlt den Bach runter. Doch die damit verbundenen Kausalitäten können tatsächlich entgegengerichtet gelesen werden und das hat fundamental unterschiedliche Auswirkungen.

Die erste Variante ist ein höchst verführerisches Narrativ für die Ehemaligen: Bayern München hat schlechte Entscheider und geht deshalb den Bach runter. Wir Alten müssen dringend prominenter im Tagesgeschäft auftreten, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Die zweite Variante nimmt die Gegenposition ein: Bayern geht den Bach runter, weil die ehemaligen Entscheider ihre neuen Rollen in desaströser Weise ausfüllen und den Verein aktiv beschädigen. In dieser Lesart sind die im Tagesgeschäft auf einmal wieder prominent anzutreffenden Ehemaligen eine große Gefahr.

Dabei ist die Richtigkeit einer Interpretation der Wirkrichtung gar nicht unbedingt entscheidend. Es geht zunächst um Wahrnehmungen. Wenn wir uns beispielsweise die von den Bayern kontaktierten Toptrainer anschauen, gehe ich persönlich davon aus, dass einige der Absagen mit der zweiten Lesart direkt in Verbindung gebracht werden können.

Denn welcher Fußballlehrer möchte sich schon öffentlich so vorführen lassen, wie es ein Thomas Tuchel mit geradezu buddhaeskem Gleichmut über sich ergehen ließ? Energischer Widerspruch von Tuchel kam erst, als ihm Hoeneß die basalsten Kompetenzen brüsk-boulevardesk absprach: „Er [Thomas Tuchel] meint nicht, dass er einen Davies, Pavlovic oder Musiala verbessern kann. Wenn es nicht klappt, sollte man einen anderen kaufen.“.

Drei Tipps für gutes Nachfolgemanagement

Was müsste stattdessen passieren? Wie gehe ich damit um, wenn ich neu bin und die alten Granden ständig meine Arbeit blockieren und meine Reputation schädigen? Wie kriege ich die Alten besser integriert? Dazu vielleicht die klassischen drei Tipps:

1. Aktive Einbindung und schrittweiser Rückzug der Vorgänger

Stellt sicher, dass die scheidenden Führungskräfte aktiv in den Übergabeprozess eingebunden sind, aber auch schrittweise Verantwortung abgeben. Dies hilft, ihre Expertise zu nutzen, ohne die neue Führung zu untergraben. Vereinbart klare Rollen und Verantwortlichkeiten, um das Eingreifen der Vorgänger zu minimieren und den Nachfolgern Raum zu geben.

2. Klarheit und Kommunikation

Kommuniziert den Übergangsprozess und die Rollen der alten und neuen Führungskräfte klar und transparent innerhalb der Organisation. Dies schafft Vertrauen und minimiert Unsicherheiten in der Belegschaft. Regelmäßige Updates und offene Kommunikationskanäle helfen, Missverständnisse zu vermeiden und einen reibungslosen Übergang zu fördern.

3. Coaching und Unterstützung für die alte Garde und die Nachfolge

Bietet den Beteiligten gezieltes Coaching und Unterstützung an, um den Übergang zu begleiten und alle auf ihre neuen Rollen vorzubereiten. Idealer Weise integriert ihr dabei direkt niedrigschwellig-elegante Kanäle für diskrete Austausch- und Mediationsmechanismen.

In Summe beobachten wie beim FC Bayern München unter dem Brennglas eine Nachfolgethematik, wie sie in der deutschen Wirtschaft hundertausendfach ansteht. Wie seht Ihr das?

[1]

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/281058/umfrage/unternehmensnachfolge-von-uebernahmen-betroffene-mitarbeiter-nach-bundeslaendern/

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