Bekloppte Marotten anybody? Okay, ich geb´s zu: vor Fußballspielen ziehe ich mir die Stutzen einmal wieder aus. Und meiner Tochter hab ich einen Traumfänger ins Zimmer gehängt. Und vor wichtigen Meetings gehe ich immer einmal aufs Klo, auch wenn das gar nicht notwendig ist. Bekloppt oder? Naja, geht so.
Marotten bewirken nachweisbar einen positiven Effekt auf Leistung, sowohl im Alltag [1] wie auch in Extremsituationen, etwa im Spitzensport [2]. Für Rituale bei der Arbeit gilt Ähnliches [3]. Durch Rituale wird Angst reduziert, der Zusammenhalt der Gruppe gestärkt und die Kooperationsneigung erhöht. Wer Ideen für Rituale im Job sucht, die den Spirit Eurer Leute einfangen, kann sich gerne hiermit [4] befassen. Darin finden sich ganz viele inspirierende Ideen. Cooles Buch. Insofern: Rituale, gerne auch abergläubische, erfüllen in Arbeit und Privatleben eine ganz wichtige Funktion – solange man den notwendigen Abstand wahrt und die Kirche im Dorf lässt.
Lustig auch in dem Zusammenhang: Einige Menschen können sich besser auf solche Marotten einlassen (oder negativ ausgedrückt: sind anfälliger dafür) als andere. Es handelt sich beim Aberglauben wohl um eine Persönlichkeitseigenschaft [5].
Wenn Aberglaube schwierig wird
Schwierig wird es mit Aberglaube halt , wenn er einer sinnvollen Lösung im Wege steht. Dann wird während COVID schneller ein Akzeptieren von verschwörungstheoretischen Inhalten samt nicht rational begründbarer Skepsis an wissenschaftlichen Erkenntnissen erwachsen. Dann wird Homöopathie entgegen der eigentlich eindeutigen Befundlage als sinnvolle medizinische Alternative angesehen. Oder dann werden parawissenschaftliche Techniken in die Arbeit integriert (im Personalwesen meinetwegen sowas wie Graphologie, Reiss Profile oder Spiral Dynamics). Das alles ist kontraproduktiv, denn es werden funktionale, empirisch fundierte und sachlogisch begründbare Lösungen durch Aberglauben ersetzt.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Aberglaube durch diverse Wahrnehmungsfehler selbst verstärkt. Als ein Beispiel von vielen sei der Confirmation Bias, zu Deutsch Bestätigungsfehler, [6] genannt. Der bewirkt, dass wir Informationen ebenso unbewusst wie gezielt sortieren. Was in unser Weltbild passt, wird hoch priorisiert wahrgenommen. Widerspruch hingegen wird ausgeblendet – und dieser Effekt wird bereits maßgeblich durch unsere Medienauswahl gebahnt und steigt sogar noch mit zunehmendem Datenzugang. Wenn ich also ein großer Fan von Donald Trump bin, tummel ich mich halt bei Fox News, sonst eher bei CNN, was die gegensätzlichen Narrative befeuert. Bei Social Media sind diese Tendenzen übrigens noch drastischer durch die algorithmische Aufmerksamkeitssteuerung.
Wie umgehen mit magischem Denken?
Was kann man tun, wenn man eigenen oder fremden Aberglauben kritisch hinterfragen möchte? Dafür gibt die Forschung drei Tipps [7].
Erstens solltet Ihr die Menschen ernst nehmen, mit denen Ihr sprecht. Auch wenn sie andere, von Euch für abwegig befundene Meinungen vertreten. Andere Leute als Idioten („Covidioten“ anybody?) zu diffamieren, ist wenig hilfreich.
Im Falle der Erfolgsbedeutsamkeit meiner doppelt angezogenen Stutzen werdet Ihr mich natürlich NIEMALS vom Gegenteil überzeugen können. Aber, zweitens, das Aufzeigen von expliziten Gegenbeispielen könnte selbst einen Betonschädel wie mich möglicher Weise ins Grübeln bringen.
Drittens ist das Trainieren kausalen Denkens wichtig. Dazu würde ich aber gerne einen Cliffhanger einbauen. Das ist nämlich ein so wichtiges Thema für Menschen und Organisationen, dass dazu demnächst noch ein eigener Artikel erscheint (nach nem Beitrag zu „Digitale Chancen“ nächste Woche und Teil III von „Warum New Work nicht funktioniert“ im Laufe des Monats).
So weit ein paar Gedanken zu Aberglaube und Marotten bei der Arbeit. Habt Ihr auch Marotten? Schießt los. Ich bin gespannt!
Literatur
[1] https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0956797610372631
[2] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.0021-9029.2006.00116.x
[3] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S074959781630437X
[5] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/bjop.12344
[6] https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1037/1089-2680.2.2.175
[7] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/bjop.12344
0 Kommentare