Warum reden wir dauernd über Leader und so selten über die Geführten?

10.04.2025 | Allgemein | 0 Kommentare

Wir leben in einer Welt, in der alle führen wollen. CEO, Projektleitung, Scrum Master, LinkedIn-Gurus mit „Vision“. Und inmitten dieser Führungsparty ertönt neuerdings ein mahnender Ruf:

„Schaut nicht nur auf die Leader – was ist mit den Followern?“

Aha. 🧐

Die neue Mode: Followership ist der geheime Star hinter erfolgreicher Führung. „Aktives Mitdenken“, „Verantwortungsübernahme“, „zielgerichtete Einflussnahme“. So definieren es Uhl-Bien und Kolleg:innen (2014). Klingt sinnvoll. Klingt engagiert. Klingt… verdächtig nach Führung.

Also vergleichen wir doch mal:

·        Leadership = sozialer Einflussprozess in Richtung eines gemeinsamen Ziels.

·        Followership (angeblich gut) = Initiative, Einfluss, Verantwortung für gemeinsame Ziele.

Tja. Da passt kaum ein Blatt dazwischen. 📎 Gutes Followership ist… Führung.

Autsch.

Wenn alle führen, führt niemand 💥

Doch wenn Followership dasselbe meint wie Leadership – warum sprechen wir dann überhaupt noch über Followership?

Was ursprünglich als Aufwertung der Mitarbeitenden gedacht war, entpuppt sich als semantischer Etikettenschwindel. Die Grenze zwischen Führen und Geführtwerden verschwimmt. Am Ende sind alle irgendwie Leader. Bullshit-Bingo lässt grüßen. 🙃

Aber es kommt noch besser.

Die drei Denkfehler der Followership-Forschung 🧠

In einer exzellenten Kritik identifizieren Nicolas Bastardoz und Sofie Adriaensen (2023) drei zentrale Denkfehler:

  1. Follower = direkte Untergebene Studien setzen Follower einfach mit „nicht-Führungskraft“ gleich. Das ist bequem – aber komplett daneben. Einfluss? Zielbindung? Fehlanzeige.
  2. Verhalten bleibt Blackbox Statt echtes Verhalten zu beobachten, wird meist nur gefragt: „Wie schätzt du dich selbst ein?“ Na super.
  3. Downward Followership wird ignoriert Was passiert, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitenden folgen – etwa bei technischem Know-how? Genau: nix. Wird kaum erforscht.

Kurzum: Wissenschaftlich fragwürdig, begrifflich verschwommen, praktisch redundant.

Aber! 🙌

Warum folgen wir eigentlich? 🔍 Ein Blick in die Evolution

Trotz allem: Die Frage ist faszinierend. Warum folgen sie überhaupt?Warum geben Menschen freiwillig Autonomie auf? Was soll das?

Die Antwort liefert – wie so oft – die Evolution. 🌱 Nicolas Bastardoz (ja, der schon wieder, folgt ihm, er ist super!) & Marc van Vugt analysieren Followership als adaptive Strategie, um Koordination in Gruppen zu ermöglichen.

Menschen folgen, wenn es sich lohnt. Rational, freiwillig, kontextabhängig.

Vier gute Gründe:

  • Koordination: Jemand führt, andere folgen – sonst klappt weder Jagd noch Flucht noch Aufbau.
  • Kosten-Nutzen-Abwägung: Wer weniger zu verlieren hat oder keine Chance auf Führung sieht, wählt Folgen als smarte Strategie.
  • Lernen: Wer folgt, kann beobachten. Und später womöglich selbst führen.
  • Zugehörigkeit: In der Steinzeit hieß Alleinsein: sterben. Followership = Überleben durch Anschluss.

Mit anderen Worten: Followership ist situativ – nicht moralisch. Es ist kein Tugend-Katalog. Es ist Strategie.

Was also tun? Drei Wege in die Praxis 🚀

Followership ist kein Etikett, das man verteilt – sondern ein Verhalten, das entstehen kann, wenn die Bedingungen stimmen.

Hier drei Wege, wie du Followership intelligent gestalten kannst – als Führungskraft, Coach oder Organisationsentwickler:

1. Downward Followership lernen 💡

Lass los – und lerne zu folgen, wenn andere mehr wissen.

  • Teile explizit Verantwortung mit Expert:innen im Team.
  • Trainiere den Rollentausch: mal bewusst folgen, nicht führen.
  • Frage: Was siehst du, was ich nicht sehe?

2. Soziale Distanz abbauen 🤝

Nähe schlägt Status. Immer.

  • Etabliere gemeinsame Rituale: Team-Frühstück, Wochenreflexion, gemeinsame Musik.
  • Arbeite als Coach im Team, nicht nur darüber.
  • Schaffe Zeit für Gespräche jenseits von KPI und Sprintziel.

3. Psychologische Sicherheit schaffen 🔐

Nur wer sich sicher fühlt, folgt freiwillig.

  • Belohne Widerspruch, statt ihn zu dämpfen.
  • Etabliere „Safe-to-Speak“-Räume im Team.
  • Sprich über deine eigenen Fehler – und was du daraus gelernt hast.

Fazit 🎯

Followership ist kein moralischer Orden. Es ist kein netter Soft Skill für den Flurfunk. Es ist ein adaptiver Mechanismus, der in guten Teams bewusst erlaubt und ermöglicht wird.

Gutes Followership ist eben nicht Leadership. Aber gute Führung schafft Räume, in denen man klug folgen kann.

Wenn du es richtig machst, bist du nicht nur ein Leader. Sondern auch mal ein richtig guter Follower. Und das ist… Leadership at its best.

Könnt ihr damit was anfangen? Dann lasst hören, teilt den Artikel gerne und klickt auf Folgen.

Literatur

Bastardoz, N., & Adriaensen, S. (2023). What does it mean to follow? A critique of the followership literature and a conceptual model of the emergence of downward following. Frontiers in Psychology, 14, 1072800.

Bastardoz, N., & Van Vugt, M. (2019). The nature of followership: Evolutionary analysis and review. The Leadership Quarterly, 30(1), 81-95.

Neeley, T., & Reiche, B. S. (2022). How global leaders gain power through downward deference and reduction of social distance. Academy of Management Journal, 65(1), 11-34.

Uhl-Bien, M., Riggio, R. E., Lowe, K. B., & Carsten, M. K. (2014). Followership theory: A review and research agenda. The leadership quarterly, 25(1), 83-104.

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